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PIS GmbH ermöglicht sozialverträglichen Übergang für V&B Fliesen-Mitarbeiter

Gute Nachrichten aus Merzig: Nach dem Aus für die Fliesenfertigung bei V&B haben bereits viele der rund 200 Beschäftigten neue Jobs gefunden.

Im Juli 2022 erschütterte die Ankündigung von V&B Fliesen, seine Fabrik in Merzig zu schließen und die Fliesenproduktion in die Türkei zu verlagern, nicht nur den Nordwesten des Saarlandes, sondern die ganze Region.
In der Türkei hat die türkische Eczacibasi-Gruppe, die fast 98 Prozent an dem Unternehmen hält (2,29 gehören noch Villeroy & Boch), ihr Stammwerk. Rund 200 Frauen und Männer waren davon betroffen. Nach den Betriebsferien im August wurde die Fabrik nicht mehr hochgefahren, die Brennöfen blieben für immer kalt. Fast 180 Jahre Fliesenproduktion im Merzig waren Geschichte.


Doch die soziale Katastrophe ist ausgeblieben. „Die meisten Beschäftigten haben eine Perspektive“, sagt Betriebsratschef Uwe Francois. Auch der Bezirkschef der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Heiko Metzger, ist zufrieden. „Hier wurde ein richtig guter Job gemacht“, lobt er.
Dreh- und Angelpunkt für die Produktionsmitarbeiter war die Transfergesellschaft der Nalbacher Firma PiS (Personalmanagement im Strukturwandel). Insgesamt 159 Frauen und Männer wechselten ab 1. Oktober für maximal ein Jahr in diese Gesellschaft. Sie erhalten Transfer-Kurzarbeitergeld, wobei V&B Fliesen diesen Betrag auf 90 Prozent des letzten Netto-Entgelts aufstockt. Anfang März waren bereits 122 von ihnen versorgt – „dies, obwohl betriebsbedingte Kündigungen bis Ende März ausgeschlossen waren“, so Metzger. „Sie hätten bei vollem Entgelt also zu Hause bleiben können, doch die meisten von ihnen wollten so schnell wie möglich wieder arbeiten, vor allem die Älteren.“ 52 Teilnehmer sind über 50 und 39 älter als 40 Jahre.


Von diesen 122 haben 76 eine Arbeit, wobei ihr restlicher Zeitanspruch in der Transfergesellschaft ruht, sodass sie zurückkommen können, wenn es mit dem Job nicht funktioniert. Weitere 13 haben der Gesellschaft endgültig den Rücken gekehrt, nachdem sie über die Transfergesellschaft eine neue Arbeitsstelle gefunden hatten. Sie wurden mit einer Sprinterprämie von vier Monatsbrutto-Entgelten belohnt, für IG BCE-Mitglieder gibt es sechs Gehälter. Weitere 28 haben ein Angebot mitsamt Arbeitsvertrag in der Tasche, haben sich allerdings noch nicht endgültig entschieden. Fünf gründeten eine Firma. Neben den 122 Frauen und Männern mit Perspektive sind weitere 17 in einer Qualifizierungsmaßnahme – machen beispielsweise den Lkw-Führerschein – und acht absolvieren ein Praktikum. Andere wiederum haben sich auf eigene Faust einen Job gesucht. „Der Arbeitsmarkt ist derzeit sehr aufnahmefähig“, sagt PiS-Seniorchef Theo Bilsdorfer. Doch ein Selbstläufer sei der schnelle Wechsel auf einen neuen Arbeitsplatz nicht gewesen. „Durch unser Netzwerk haben wir gute Kontakte, sodass wir vielen Leuten Jobs anbieten konnten, die sie selbst nicht gefunden hätten“, ist er überzeugt. Neue Arbeitgeber sind unter anderem Villeroy & Boch, die Stadt Merzig, der Kugelhahn-Hersteller MHA Zentgraf, Saarstahl und die Dillinger Hütte sowie der Saarlouiser Küchenhersteller Nobilia.


Auch für die anderen Merziger Unternehmensbereiche von V&B Fliesen steht der Plan weitgehend. Die Logistik zieht bis Mitte 2024 in ein neues 60 000 Quadratmeter großes Logistikzentrum um, das derzeit in Polch bei Koblenz errichtet wird. „Von diesem Umzug sind in Summe 90 Mitarbeiter in der Logistik und im Musterbau betroffen“, teilte eine Sprecherin von V&B Fliesen mit. Die Abteilungen Verwaltung und Vertrieb bleiben hingegen in der Kreisstadt. Sie ziehen in den Bürokomplex „Neue Mitte Merzig“, der auf dem Gelände der früheren Saarfürst-Brauerei errichtet wurde. Das Gebäude-Ensemble, in dem Büroräume, Praxen, Wohnungen und ein Drogerie-Markt unterkommen, ist zurzeit im End-Ausbau. „Der Umzug ist für den Sommer geplant und betrifft rund 120 Mitarbeiter“, so die Unternehmenssprecherin.


Das knapp elf Hektar große Firmengrundstück von V&B Fliesen gehört Villeroy & Boch. Der Mietvertrag endet im Dezember 2024. Rund zwei Drittel des Areals beansprucht derzeit noch der Logistikbereich. Der Keramikkonzern hat am Donnerstag mit der Stadt Merzig eine Grundsatzvereinbarung (Letter of Intent) über die künftige Nutzung des Areals getroffen. Das Vorhaben „kann zu einem der größten städtebaulichen Projekte in der Geschichte Merzigs“ werden, sagt Bürgermeister Markus Hoffeld (CDU). Dort könnten neue Wohnungen und Arbeitsplätze entstehen. Bei den Planungen sollen auch „Natur- und Umweltbelange berücksichtigt werden“. Auch für Villeroy & Boch sei „die Revitalisierung des ehemaligen Werksgeländes ein besonderes Anliegen“, sagt Peter Delwing, Chef der Grundstücksverwaltung.

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